INMEDEA Simulator

Rechtsmedizin - Stumpfe Gewalt


 

Frakturen

Schädelbrüche

Schädeldach
Lochbrüche
Sie entstehen meist durch Schläge mittels geformter Gewalt, d. h., wenn stumpfkantige Werkzeuge mit Kantenlängen von max. 4 cm fast senkrecht auf das Schädeldach auftreffen. Die Brüche können die Konturen des Werkzeugs, z. B. eines Hammers, widerspiegeln. Schussdefekte stellen die kleinsten Lochbrüche dar.

Terrassenbrüche
Der Entstehungsmechanismus entspricht dem der Lochbrüche. Die Gewalt, deren Kantenlänge über 4 cm
betragen kann, trifft aber schräg auf. Dabei wird die Tabula externa unterschiedlich tief, d. h. terrassenartig,
imprimiert.

Globusbrüche
Flächenhafte Gewalt durch Sturz oder Schlag führt zur Verformung des Schädeldachs mit Zugspannungsentwicklung. Vom Zentrum der Verformung bilden sich radial verlaufende Berstungsbrüche
(„Längengrade“). Zugleich können Biegungsbrüche an den durch Berstung entstandenen Bruchstücken
auftreten. Diese verlaufen konzentrisch um das Verformungszentrum („Breitengrade“). So kann ein Bruchlinienmuster entstehen, das an das Koordinatennetz eines Globus erinnert.

Abb. 1: Globusbruch: Radiäre Bruchlinien und
konzentrische Bruchlinie. Treppensturz eines 66-
Jährigen mit Aufschlag der linken unteren Scheitelpartie
auf einer Betonstufe.


Meist
kommt es zu unvollständigen Globusbrüchen. Häufig finden sich nur Berstungsbruchlinien.

Die Puppe’sche Regel besagt: Bei mehreren nacheinanderfolgenden Gewalteinwirkungen auf das Schädeldach enden die später entstandenen, an den zuvor verursachten Bruchlinien ohne Überkreuzung.
Somit kann die Reihenfolge der Einwirkungen rekonstruiert werden.

Schädelbasis

Längsbrüche
Längsdruck auf die Schädelbasis führt  zur Verkürzung des Längs- und zur Verlängerung des Querdurchmessers. Da die Druckfestigkeit des Knochens größer ist als seine Zugfestigkeit, reißt er quer zur Zugbeanspruchung und es resultiert eine Längsfraktur. Häufigste Ursache ist ein Sturz auf das Hinterhaupt.
Stürze auf das Gesicht haben nur bei sehr starkem Aufprall Basisbrüche
zur Folge.

Querbrüche (Syn.: Scharnierbrüche)
Die Verletzungsmechanik entspricht der bei Längsbrüchen. Ein Querdruck verkürzt den Quer- und verlängert den Längsdurchmesser. Quer zur Zugspannung entsteht ein Querbruch. Bei schräger Gewalteinwirkung entstehen nach demselben Prinzip Schrägbrüche.

An der Schädelbasis gilt: Längsdruck macht Längsbruch, Querdruck macht Querbruch.

Ringbrüche
Dabei verlaufen die Bruchlinien zirkulär um das Foramen occipitale magnum. Ursächlich sind Stauchungen der Schädelbasis gegen die Wirbelsäule bei Stürzen aus der Höhe mit Aufschlag auf dem Kopf oder den Fersen. Aber auch Zugkräfte an Kopf oder Füßen, z. B. bei Verkehrsunfällen, können zu Ringbrüchen
führen.

Gesichtsschädel
Nasenbeinbrüche mit Blutungen können Blutaspirationen bedingen. Sie entstehen des Öfteren durch Faust schläge. Die weiteren Mittelgesichtsfrakturen werden meist nach Le Fort (1901) eingeteilt und sind vorwiegend durch intensive Gewalteinwirkungen bedingt.

Extremitäten
Besonders bedeutsam ist der keilförmige Bruch nach Messerer (1885), der v. a. an der Tibia zu beobachten ist. Bei Einwirkung geformter Gewalt, z. B. einer Stoßstange, biegt sich der fixierte Knochen (Standbein) quer zu seiner Längsachse. An der konvexen Seite, die der Krafteinwirkung abgewandt ist, kommt es zur Dehnung mit anfangs achsenparallelen Spannungen. Dadurch zerreißt der Knochen und es entsteht
das keilförmige Knochenfragment (z Abb. 2).

Die Spitze eines Messerer-Keils weist immer in die Einwirkungsrichtung der Kraft. So kann die Anfahrrichtung eines Fußgängers rekonstruiert werden.

Ausgewählte Verletzungsvorgänge und -muster

Stürze

Aus sitzender oder liegender Position (Betthöhe)
Meist treten Schürfungen und Hämatome an den prominenten Gesichtspartien (Stirnhöcker, Augenbrauenwulst, Jochbeinbogen, Nase, Kinn) auf. Selten entstehen Riss-Quetschwunden. Die Gefahr von Subduralblutungen ist gegeben.

Aus dem Stand
Regelmäßig entstehen Schürfungen und Hämatome an den prominenten Stellen des Gesichts.

Hutkrempenregel : Beim Sturz aus dem Stand mit Aufschlag auf dem Boden kommt es zu Verletzungen der Kopfhaut unterhalb einer gedachten Hutkrempenlinie. Darüber lokalisierte Verletzungen sprechen beim Stehenden für eine Beibringung durch Schläge.
Für den Sturz auf den Hinterkopf sind typisch: Riss-Quetschwunde,
Schädelbasislängsbruch und Coup-Contrecoup-
Verletzungen des Hirns (s. S. 34/35).

Treppensturz
In allen Körperregionen sind Schürfwunden und Blutergüsse zu beobachten, am Kopf besonders an den prominenten Stellen, an den Gliedmaßen v. a. an den Außenseiten. Seltener treten Riss-Quetschwunden auf. Je nach Sturzhöhe kommt es zu Frakturen, insbesondere der Rippen, gelegentlich auch der Wirbelsäule. Todesursächlich sind oft Hirnkontusionen mit Blutungen an den Hirnhäuten bei Schädelbrüchen.

Aus der Höhe
Bei einer Sturzhöhe von nur wenigen Metern treten meist Frakturen am gesamten Körper mit Weichteilverletzungen auf. Bei größerer Sturzhöhe kommen anämische Aufschlagstellen vor. Dabei handelt es sich um blasse Hautareale vorwiegend an den Oberschenkeln, die der Kontur des Femurs entsprechen. Sie sind begrenzt durch Hauteinblutungen, die beim Aufschlagen des Knochens in seiner Umgebung,entstehen.
Todesursache sind häufig Aortenrupturen, schwere Schädel-Hirn-Traumen, aber auch Lungen- und Herzzerreißungen mit Hämatothorax.

Schläge

Ohrfeigen führen meist zu Hautrötungen, bei Kindern auch  zu Blutergüssen.  Typische Folge von Faustschlägen ins Gesicht sind Augenlidhämatome. Riss-Quetschwunden können durch Faustschläge nur ausnahmsweise über den Augenbrauenwülsten verursacht werden.  An anderen Stellen des Kopfs sind Riss-Quetschwunden nur durch Schläge mit Gegenständen zu erzeugen.
Schläge auf den Mund führen zu Zahnkonturverletzungen der Schleimhaut, evtl. zu Zahnausbrüchen.
Schläge mit stockartigen Instrumenten haben häufig doppelt konturierte Hauteinblutungen zur Folge, da es durch Zug seitlich der Einwirkung zu Kapillarzerreißungen mit Blutungen kommt. Oberhautepithelverluste am Rand der Zugzone bedingen beim Verstorbenen doppelt konturierte Hautvertrocknungen.


Verletzungen durch Kraftfahrzeuge

Fußgänger

Anfahren
Durch die Einwirkung von Pkw-Stoßstangen können an den Unterschenkeln Schürfungen mit Hämatomen entstehen. Messerer-Keil-Frakturen weisen in die Richtung des Anstoßes. Hautdehnungsrisse in der Leistenregion sprechen für ein Anfahren durch Pkw von hinten.

Abb. 2: Typischer Messerer-Keilbruch der Tibia, bedingt
durch Stoßstangeneinwirkung#beim Anfahren eines Fußgängers.



Überrollen
Typischerweise werden durch die Einwirkung der Räder bei
am Boden Liegenden Décollements an den Oberschenkeln oder am Rumpf verursacht. Ist der Bauch betroffen, können Dehnungsrisse in der Leiste auftreten. Beim Überrollen des Kopfs werden Querbrüche der Schädelbasis beobachtet, wenn der am Boden liegende Schädel fixiert ist.

Fahrzeuginsassen Gurtverletzungen, d. h. bandartige Schürfungen oder Hämatome, sind bedeutsam bezüglich der Frage des Angeschnalltseins und der Sitzpositionen zum Unfallzeitpunkt.

Misshandlungen
Misshandlungen werden meist mittels stumpfer Gewalteinwirkungen vorgenommen. Säuglinge, Kinder und alte Menschen sind besonders gefährdet. Hervorzuheben ist das Schütteltrauma (engl.: Shaken baby syndrome) als spezielle Misshandlungsform im Säuglingsalter. Dabei treten neben subduralen (s. S. 34/35) auch retinale Blutungen auf. Rippenfrakturen können durch das Zusammendrücken des Thorax beim Schütteln entstehen. Häufig finden sich Blutergüsse unterschiedlichen Alters. Abrisse neuronaler Verbindungen führen zu diffusen Axon- und Hirnparenchymschäden. Sie werden als wesentliche Ursache für Todesfälle angesehen. Die Mortalität beträgt 12 – 27 %.

Zusammenfassung
Typische Frakturformen des Schädels und der Röhrenknochen erlauben im Zusammenhang mitVerletzungen an Haut und inneren Organen Rekonstruktionen zur Entstehungsweise der Befunde durch stumpfe Gewalt.




 


© Copyright CompuGroupMedical AG, GB telemed 2012, www.inmedea.com